Presse
Theater als Plattform für bildende Kunst

Jörn Michael zeigt im Theaterfoyer
»Vernetzungen«

Annaberg-Buchholz. Es ist erfreulich, dass die anlässlich der Hesse-Ehrung praktizierte schöpferische Zusammenarbeit zwischen dem Winterstein-Theater und dem Verein »Kunstkeller« keine Eintagsfliege ist. Es wird weiterhin auf Genre übergreifende Kunsterlebnisse gesetzt. Und das ist gut so. Zurzeit ist im Foyer des Theaters eine Ausstellung des Buchholzers Jörn Michael zu sehen. Schon des öfteren fielen Arbeiten des talentierten jungen Mannes im »Kunstkeller« ins Auge, veranlassten zu der Frage: »Von wem ist das?« Denn der Nachwuchskünstler entwickelte seine Fähigkeiten und Fertigkeiten wohl mehr im Stillen ohne Aufsehen. Und das ist auch nicht nötig. Die künstlerische Ausdrucksweise des sympathischen Jörn Michael spricht für sich, sei es in der Malerei, Grafik oder Fotografie. Gegenwärtig zeigt er unter dem Thema »Vernetzungen« Zeichnungen. Freilich muss der Betrachter gewillt sein, die ausgestellten Arbeiten zu hinterfragen. Und kommt der Zuschauer gerade aus der Operette »Land des Lächelns«, erschließt sich ihm eine ganz andere Welt – oder auch nicht. Jörn Michaels Zeichnungen lassen eine Vielfalt an Deutungen zu. Im zunächst erscheinenden Chaos an Linien sind beim genauen Hinschauen Gesichter, Körperteile in Bewegung, Augen zu entdecken – alles gefangen in einem Netz. Es umspannt den Menschen, fängt ihn ein und auf, lässt ihn wieder los. Es bedarf keiner großen Fantasie, um nachzuempfinden, dass sich der Mensch in einem gesellschaftlichen Netz befindet, in gegenseitiger Abhängigkeit und Verantwortung, sei es oben oder unten, wie bei Jörn Michaels Drehbildem. Möge der eine oder andere Ausstellungsbesucher wieder einmal Lust auf Theater kriegen und der eine oder andere Zuschauer sich die nächste bildkünstlerische Ausstellung vormerken.

Regina Hanika
Freie Presse 20.2.2003