Presse
Gucklöcher in die Wirklichkeit

Autor  Uwe  Kreißig  und  Fotograf  Jörn  Michael
schauen hinter den schönen Schein


Annaberg-Buchholz. Sechs Löcher im schwarzen Karton. Dahinter je sechs Arbeiten von zwei Künstlern, die wiederum Gucklöcher sind. Jörn Michael und Uwe Kreißig lassen uns in ihrer vom Kunst-Keller Annaberg herausgegebenen Kunstmappe tief in unsere Welt blicken. Sie ziehen den Grauschleier beiseite und holen das im Alltäglichen Verborgene ans Licht. Der eine, Uwe Kreißig, in seinen Texten. Und der andere, Jörn Michael, in seinen Fotografien. Und es ist eine schöne Scheinwelt, die da bloßgestellt wird. Wenn der Chemnitzer Kreißig etwa die Kulturszene am Beispiel von Berlin seziert, dann bleibt nur Schrott in Disneyland übrig. Auch die Kunst ist nicht mehr das, was sie mal war: »Kunst war einst eine Lehre ... Jetzt ging immer mehr verloren. An verlorene Dinge erinnerte ihn moderne Kunst, so wie Sex, der erst bedeutungslos und dann mittelmäßig wurde«, meint der Protagonist in Kreißigs Geschichte »Copy Art« und beklagt sich weiter, dass er überall nur noch kopierte Kunst sieht. Die Arbeiten von Jörn Michael kann er damit wohl nicht gemeint haben: Denn die Schwarzweiß-Fotografien des Buchholzers sind eigenartig und weisen Parallelen zu seinen grafischen Arbeiten auf. Dabei ist es einfach nur der Blickpunkt, den der Fotograf wählt, welcher dem Betrachter das Alltägliche auf einmal so ganz anders erscheinen lässt. Die Kunstmappe hat den Titel »Nummer fünf« und ist innerhalb der Reihe »duo-edition« in einer Auflage von 25 Stück erschienen. Sie kann im Kunst-Keller erworben werden. Daneben gibt der rührige Kunstverein auch in diesem Jahr wieder eine Grafikmappe »Hommage á Carlfriedrich Claus« zum Geburtstag des weltweit geschätzten Künstlers heraus. Sie ist derzeit in Arbeit.

Jeannine Helbig
Freie Presse 8.3.2002