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Punkt, Punkt, Punkt ...

Ein Katalog soll das bisherige künstlerische Schaffen von Jörn Michael dokumentieren. Nicht die erste gedruckte Schau für den Buchholzer. Doch das aktuelle Projekt stellt dennoch ein Novum dar.

BUCHHOLZ. In der Welt gibt es viel zu sagen. Manche tun dies ohne Punkt und Komma. Und einige wenige beschränken sich auf den Punkt oder auch Tausende davon. Jörn Michael ist so ein Mann. Der Annaberg-Buchholzer Künstler hat sich in den vergangenen Jahren in der hiesigen Kunstszene einen Namen gemacht. Seine Malereien und Zeichnungen auf ausgedienten und vor allem benutzten Kuchenpappen sorgten für viel Aufsehen. Dabei sind sie nur ein Teil seines künstlerischen Schaffens. Ein Katalog soll nun das bisherige Werk von Jörn Michael beleuchten, seine Kunst zeigen und natürlich auch bekannter machen.

Auf keinen Fall alltäglich. Immerhin ist der Annaberg-Buchholzer gerade einmal Anfang 40. Unterstützung erhalten derartige Projekte normalerweise nur, wenn das Lebenswerk eines Künstlers nach dessen Tod oder zumindest in hohem Alter Anerkennung finden soll. Diesen Punkt in seinem Leben hat Jörn Michael glücklicherweise noch nicht erreicht. Und dennoch wird dieser Katalog, der bald erscheinen soll, vom Kulturraum Erzgebirge-Mittelsachsen gefördert. Ein Novum - bestätigt Wolfgang Kalus. Erstmals bekomme ein junger Künstler so eine Chance. Dass dieses Glück Jörn Michael zuteil wird, liegt laut Kalus auch an der besonderen Konzeption des Kataloges. Der Kultursekretär sagt, dass für den Kulturraum vor allem die Kopplung zwischen Zeichnung und Malerei auf der einen Seite und Literatur auf der anderen das Spannende an diesem Vorhaben ausmacht.

Die Arbeiten von Jörn Michael werden in Verbindung mit Gedichten, Aphorismen und Liedtexten dargestellt. Michael konnte dafür unter anderem Osmar Osten, Jörg Seifert, Alexander Stoll, Hans Brinkmann, Stefan "Sterni" Mösch und Reinhold Lindner gewinnen. Letzterer war es auch, der den Buchholzer ermutigte, das Katalog-Projekt zu beginnen und Fördermittel zu beantragen. Schließlich verschlingt die Konzeption und Herstellung eines Künstler-Kataloges mehrere Tausend Euro. Mithilfe der Fördermittel können so die Kosten für die Druckerei finanziert werden. Doch ohne die Unterstützung von Sponsoren und Freunden sei so ein Vorhaben trotz Förderung dennoch kaum umsetzbar.

Doch wer ist dieser Künstler? "Freie Presse" trifft Jörn Michael in seiner Wohnung in Buchholz. Als Erstes fällt auf, dass der Maler, Zeichner und Grafiker unzählige Schallplatten besitzt. Hätte er in der Kindheit und Jugend einen Platz in der Musikschule bekommen, wäre aus ihm wohl ein Musiker statt ein Maler geworden. Doch wie immer im Leben kam es ein bisschen anders. Jörn Michael besuchte keine Musik-, sondern die Schnitzschule und Malzirkel. Schon früh entdeckte er seine Faszination für Zeichnungen und Malerei, auch Fotografie gehört zu seinem Repertoire. Statt auf einer Bühne steht er heute hinter der Staffelei oder sitzt am Zeichentisch. Ein stiller Mann, der viel zu sagen hat. Aufbrausend bei Ungerechtigkeiten, kämpferisch für die Kunst und dennoch ruhig.

Seine Arbeiten spiegeln das in beeindruckender Art und Weise wider. Vor allem die Bilder, die sich aus unzähligen und ebenso winzigen Punkten zusammensetzen, zwingen den Betrachter regelrecht, genau hinzuschauen. Seit 2003 benutzt er diese aufwendige Technik, erzählt Jörn Michael. Tausende Zeichnungen sind seitdem entstanden. Beinahe täglich kommen neue hinzu. Ein Künstler als Sisyphos, doch mit einem Unterschied: Sinnlos und ohne Ende ist das, was Jörn Michael punktet, nicht. Wie zufällig entstehen Figuren, Szenen - mal klar und deutlich, mal versteckt. Nur selten bleiben die Punkte allein. Michael stellt ihnen Farbe, Zeitungsausschnitte, andere Zeichnungen, Schlagwörter zur Seite. Ein Blickfang, Einordnung, Statement - auch politisch.

In dem Katalog werden 120 Arbeiten in unterschiedlichsten Techniken zu sehen sein. Darunter auch die Kuchenpappen und Druckgrafiken. Damit geht für ihn ein Traum in Erfüllung. "So etwas wünscht sich jeder", sagt Jörn Michael. Vielen Künstlern sollte das daher mit Unterstützung des Kulturraumes ebenfalls ermöglicht werden. In Annaberg-Buchholz und Umgebung gebe es eine "hohe Dichte exzellenter Künstler". Jörn Michael nennt unter anderem Jörg Seifert, Sylvia Graupner, Sabine Sachs, Roland Buschmann und Gottfried Rothe. Die Kunstszene in der Provinz hält eben zusammen - Punkt.

Denise Märkisch
Freie Presse
vom 27.03.2017